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Freitag, 6. Dezember 2013

Das Auto zum Wochenende, Folge 32: Wiesmann

Die Wirtschafts- und Finanzwelt erscheint einem mitunter als kaum verstehbares Konstrukt. Eines der jüngsten Beispiele aus der Autowelt ist die Wiesmann GmbH: vor wenigen Monaten sah vieles nach dem Ende der Edelschmiede aus dem Münsterland aus. Doch nun scheint sich das Blatt noch einmal zum Guten zu wenden.

Die aktuelle Generation des Wiesmann Roadster (alle Fotos: NS)
Noch im August hatte das Unternehmen mit seinen immerhin 110 Mitarbeitern Insolvenz angemeldet, wenngleich mit dem Ziel, "die bereits begonnene Restrukturierung von Wiesmann kurzfristig gemeinsam mit strategischen Partnern und Investoren erfolgreich abzuschließen". Wie schnell ein solcher Prozess zuweilen vonstatten gehen kann, zeigen die Dülmener ein Vierteljahr nach der vermeintlichen Pleite: letzte Woche wurde der Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens gestellt. Oder anders ausgedrückt: liquide Investoren scheinen rasch gefunden worden zu sein, sodass der Sportwagenbau in der gläsernen Manufaktur wohl fortgesetzt werden kann.

Es gibt sogar eine Rennversion.
Was 1988 noch in einem Dülmener Keller mit ersten Ideen, Zeichnungen und Konstruktionen der Gebrüder Wiesmann begonnen hatte, wuchs in wenigen Jahren zu einem ernstzunehmenden Autohersteller heran. Da es den beiden Firmengründern nicht am nötigen Unternehmergeist mangelte und sie sich überdies schon früh ein gewinnbringendes zweites Standbein in Form der Fertigung von Hardtops (zum Beispiel für den BMW Z1) schafften, konnten Friedhelm und Martin Wiesmann recht schnell erste Erfolge feiern. Ihren Traum vom eigenen Sportwagen realisierten sie innerhalb weniger Jahre, produziert wird er in einer Manufaktur im heimischen Dülmen. Besonders stolz ist man dort auf die Qualität der Kunststoff- und Metallverarbeitung sowie die Wertigkeit der in der werkseigenen Sattlerei entstehenden Lederarbeiten. Die Motoren werden hingegen von BMW zugeliefert, aktuell handelt es sich dabei um die leistungsstarken V8-Triebwerke aus den Münchener M-Modellen.


Das wäre das richtige Wiesel für den Autoren:
MF3 in klassisch-britischer Farbgebung
Die grundsätzliche Idee hinter den formschönen Roadstern und Coupés entstand in den Achtzigerjahren während eines Messebesuches der Wiesmänner. Ihnen war aufgefallen, dass es zwar zu Genüge Sportwagen auf dem Markt gab, nicht aber in der klassischen englischen Form, wie es noch 20 Jahre zuvor der Fall gewesen war. Und so erinnert das Design der Wiesel, wie sie von ihren Besitzern liebevoll genannt werden, noch heute an ihre Vorbilder wie den Austin Healey. Weitere Vorgaben bei der Entwicklung waren Fahrspaß durch geringes Gewicht und ausgezeichnetes Verarbeitungsniveau vor allem durch hochwertige Materialien im Interieur. Die ersten Wiesmann Roadster wogen so tatsächlich kaum mehr als eine Tonne. Zwar sind bei den neueren Modellen einige hundert Kilogramm dazugekommen, derweil hat die Leistung freilich auch deutlich zugelegt. Inzwischen kommt das Topmodell MF5 auf stolze 555 Pferdestärken, in etwa doppelt so viel wie im Urmodell.

Das wichtigste Merkmal, das sich Wiesmann auf die eigenen Fahnen schreibt, ist hingegen Exklusivität. Jedes der etwa 1600 in Handarbeit entstandenen Exemplare ist ein Unikat. Auch wenn das technische Grundgerüst bei allen Wieseln dasselbe ist, bestehen unzählige Individualisierungsmöglichkeiten, egal ob es sich um den Innenraum, das Felgendesign oder die Außenfarbe handelt. Auf diese Weise hat sich Wiesmann einen großen Kundenkreis erschlossen - auch im bekanntlich zahlungsfähigen wie -freudigen Mittleren Osten.

Doch warum steckt die Firma jetzt in finanziellen Schwierigkeiten? Liegt es unter Umständen daran, dass man kein zweites Mal einen Wiesmann bestellt, nachdem man sich bereits mit dem ersten seinen individuellen Traumwagen zusammengestellt hat? Oder gibt es etwa keinen Markt mehr für hoffnungslos alltagsuntaugliche Supersportwagen? Jedenfalls werden Einstiegspreise im sechsstelligen Bereich ihren Teil zu der Misere beitragen...



Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent

Siehe auch:

Das Auto zum Wochenende, Folge 31: Mercedes CLS
Das Auto zum Wochenende, Folge 30: Leopard Roadster
Das Auto zum Wochenende, Folge 29: NSU Ro80

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